Vier Schritte gegen Vorurteile im Alltag

Möchtest du einer Person helfen zu verstehen, dass ihre Bemerkung abwertend ist? Schreibt sie einer Gruppe Eigenschaften zu, ohne dass ihr das bewusst ist?

Egal in welcher Situation du dich befindest, bewerte zunächst, ob du physisch und emotional sicher genug bist, etwas zu sagen.

Lass dir Respektlosigkeit nicht gefallen. Vertritt die Werte, die dir wichtig sind. Bleibe dabei ruhig, respektvoll und höflich. Die folgenden vier Schritte helfen dir, Grenzen zu setzen und beleidigenden Worten Einhalt zu gebieten.

„Gegenrede ist wichtig… Man will etwas entgegnen, doch die richtigen Worte fehlen. Und ehe man seine Sprache wieder zurück- und eine gute Antwort findet, ist die Situation auch schon vergangen. Die Vorbereitung von Argumenten und Argumentationsstrategien kann Abhilfe schaffen und helfen, die Sprachlosigkeit bei der nächsten Konfrontation zu überwinden.“

Konterbunt, bee secure


1) Bereite dich vor!

Du weißt es – so einen Moment wird es wieder geben. Bereite dich darauf vor. Gibt es Situationen, in denen deine Sicherheit nicht gewährleistet ist? Dann laß es sein! Für alle anderen Situationen: Stell dir vor, wie gut du dich fühlst, wenn du in so einem Moment etwas gesagt hast.

Wie kannst du am Anfang der künftigen Situation deinen Mut sammeln? Überlege – Was ist das Schlimmste, was passieren kann? Versprich dir selber, das Schweigen zu durchbrechen und etwas zu sagen. Wir haben gemerkt, dass es uns mit mehrmaligem Üben deutlich leichter fiel, in einer Situation mutig zu sein und die andere Person passend und respektvoll hinzuweisen.

Kennst du die Person? Habt ihr gemeinsame Werte? Handelt es sich zum Beispiel um eine Schwester, einen Freund, eine Kollegin – dann sprich sie über gemeinsame Werte an: „Thomas, ich habe dich immer als gerechte Person empfunden. Wenn du scherzt „Frauen gehören an den Herd“ werde ich traurig. Mir ist wichtig, dass Frauen gerecht behandelt werden.“

Sprich ihre guten Absichten an. Menschen sind komplex. Was sie in einem Moment sagen, muss nicht notwendigerweise bedeuten, dass dies ein Indikator für all ihr Denken ist.

Finde Verbündete. Überlege, ob es verschiedene Verbündete geben könnte. Leute, die direkt von den wiederholten Vorurteilen betroffen sind. Personen, die nicht betroffen sind, aber möglicherweise deine Sicht teilen. Leute, die generell für Gerechtigkeit offen sind.

Oder seien es Verbündete in einem anderen Umfeld, die dich ermutigen: Manchmal ist es im Alltag schwierig durchzuhalten, und weiterhin Beleidigungen in die Schranken zu verweisen. Such dir Leute, die ähnlich denken und dich unterstützen.

Sag Was! Sag jedes Mal Was!

2) Frag nach!

Offene Fragen bieten sich gut als Einstieg an, denn sie zeigen dem anderen auf respektvolle Weise, dass hier Gesprächsbedarf besteht. „Warum sagst du das?“ „Wie bist du zu dieser Überzeugung gekommen?“ „Was ist so lustig an diesem Witz?“

Schaffst du es, das Verhalten zu beschreiben ohne es zu bewerten? Vergleiche: Wird dein Gegenüber auf deinen Hinweis „Was du sagst ist rassistisch“ eher abblocken oder eher sagen „Danke für deinen Hinweis, das werde ich sofort abstellen.“? Wenn du möchtest, dass die andere Person ihre bislang unbewussten Vorurteile überdenkt, ist es wichtig, zu Beginn des Gesprächs ein einladendes Signal zu senden.

Ein emotionaler Angriff auf dein Gegenüber, mit dem du aufgestauten Ärger loswirst, führt wahrscheinlich zu einem Gegenangriff. Suche lieber nach konstruktiven Lösungen. Bleibe besonnen, bewahre die Ruhe. Bleibe distanziert und offen für Kommunikation.

Die Kamera-Übung

Viele im deutsch-sprachigen Raum Urteilen und Bewerten ohne sich dessen bewusst zu sein. Auch du? Dann könnte dir dieser Teil anfangs besonders schwer fallen. Unser Sprechen ist oft so vom Bewerten geprägt, dass es starker Anstrengung bedarf, im eigenen Sprachgebrauch den „Bewerten“-Ansatz zu erkennen und dann durch den (neutralen) „Beschreiben„-Ansatz zu ersetzen. Hier scheint sich die Kamera-Übung zu bewähren: Setze dich mit einem Notizblock an einen öffentlichen Platz und beschreibe 5 Minuten lang, was du beobachten kannst. Nimm dir am Folgetag deine Notizen und streiche durch, was eine Kamera nicht beobachtet hätte.

Beispiel: „Eine Koreanerin läuft mit weißen Schuhen ….“ Woher weiß die Kamera, dass es eine Koreanerin ist?

Hier im Schritt, Beschreiben ohne Bewerten, geht es darum, dein Gegenüber für dein Anliegen zu öffnen. Das ist bei Bewertungen schwierig, denn sie führen in der Regel zu Rechtfertigungen. Auch emotional aufgeladene Begriffe lenken von deinem Ziel ab.

Versuche statt zu bewerten, sachlich zu schildern, was genau am Gesagten beleidigend ist. Meist hilft es der anderen Person, wenn du ehrlich zurück meldest, was du sie sagen hörst: „Janine, hört sich für mich an, als würdest du sagen, alle Afrikaner wären faule Säcke.“ (oder was auch immer die Verunglimpfung war). Oder „Sven, du sprichst gerade über eine ganze Volksgruppe in sehr abschätziger Weise. Versteh ich dich da richtig?“

„Anstatt sein Gegenüber anzugreifen oder gar zu beleidigen, ist es wichtig mit eigenen Worten zu beschreiben was man wahrgenommen hat und sachlich Stellung zu beziehen. Hilfreich kann es dabei sein, die Allgemeingültigkeit der gehörten Aussage zu hinterfragen: „Sind alle… wirklich so?“ oder die Quellen kritisch zu beleuchten „Woher weißt du, dass alle…?“.“

Alice Scridon, Trainerin für vorurteilsbewusste Bildung im Verein IZ – Vielfalt, Dialog und Bildung, Österreich

3) Setze Grenzen!

Du kannst nicht bestimmen, was eine andere Person sagt. Aber du kannst sagen „Bitte erzähle künftig keine rassistischen ‚Witze‘ mehr in meiner Gegenwart. Solltest du das dennoch machen, werde ich weg gehen.“ Oder „Mein Arbeitsplatz ist kein Platz für Vorurteile. Ich kann dir nicht vorschreiben, was du außerhalb meines Bereichs machst, aber hier erwarte ich, dass du meinen Wunsch respektierst.“

Sei konsequent und verteidige die von dir gesteckten Grenzen. Deine Grenzen zu verteidigen kann einfach sein. Du kannst sagen „Ich möchte, dass du das Wort … in meiner Gegenwart nicht mehr sagst.“ „Ich finde das doof, dass du … sagst, lass das bitte.“ Du brauchst deine Bitte nicht großartig begründen. Wobei eine Begründung der Person beim Verstehen helfen könnte.

Sag Was! Sag jedes Mal Was!

„Also stehe zu deinen Grenzen. Sage klar, was du willst. Sei hart bei deinen Interessen und Bedürfnissen. Gleichzeitig bist du aber höflich, respektvoll und verständnisvoll mit deinem Gegenüber. „

Ralf Senftleben, Herausgeber von www.zeitzuleben.de

Bremse das schlechte Verhalten. Vielleicht änderst du die darunterliegenden Einstellungen nicht, immerhin begrenzt du den Schaden und die Verbreitung. Weniger Menschen hören es, oder erleben es.

„Wenn Sie Konflikte mit dem Mobber meiden, geben Sie ihm gleichzeitig zu verstehen, dass sein Interesse höher zu bewerten ist als Ihres –und das stärkt seine Position mehr und mehr. In den meisten Fällen wird er immer dreister vorgehen, weil er der Meinung ist, im Recht zu sein“.

Rückert/ Bone: Hilfe gegen Mobbing am Arbeitsplatz, S. 29

4) Ermutige andere!

Solidarität ist einer der wichtigsten Bausteine einer demokratischen Gesellschaft. https://hateaid.org/allyship/

Und denk daran, auch andere zu unterstützen, die so mutig sind Vorurteile anzusprechen. Wenn du mal nicht die erste Stimme bist, die sich gegen Beleidigungen meldet, sei die zweite!

„Danke, dass du was sagst. Auch ich finde das Wort verletzend.“

Veränderung passiert langsam. Menschen machen meist nur kleine Schritte, keine großen. Bleibe vorbereitet, halte durch, sage jedes Mal etwas. Riskiere nicht zu schweigen. Belohne auch noch so kleine Schritte in die richtige Richtung.

„Jedes Einschreiten und Stellung beziehen hilft dabei, Vorurteile nicht gewinnen zu lassen und Menschen solidarisch zu unterstützen!“

Alice Scridon,  Trainerin für vorurteilsbewusste Bildung im Verein IZ – Vielfalt, Dialog und Bildung, Österreich

Hier findest du eine Vorlage von Visitenkarten mit den vier Schritten zum Selbstdrucken (schwarzweiß für Drucker, die zweiseitig drucken können). Diese kannst du auch an andere verteilen, um sie zu ermutigen, etwas gegen unbewußte Vorurteile zu sagen.

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