Einleitung Was kann ich bei der Arbeit sagen?
Was kann ich bei der Arbeit sagen?
„Einmal nahm der Vorarbeiter mich auf Seite und sagte etwas, das war wohl als Kompliment gedacht. Er sagte‚ ‚Du bist ein guter Arbeiter, und du bist zuverlässig. Du bist nicht wie die anderen Rumänen‘. Ich habe nur genickt und bin zurück an die Arbeit, weil ich meinen Job behalten wollte.“
Bei der Arbeit ist für einige von uns der einzige Ort, wo wir mit Menschen vielfältiger Prägungen in Berührung kommen. Einige leben in Nachbarschaften mit nur Menschen, die ihnen ähnlich sind. Einige besuchen Vereine mit nur Menschen, die ähnlich denken wie sie. Einige verbringen ihre gesamte Freizeit mit einer ihnen gleichartigen Gruppe. Oft ist die Arbeit dann eine Art Versuchslabor, da sie keine Möglichkeit hatten, ihr Verhalten aus einer anderen Perspektive zu betrachten.
Allgemein verstehen Privilegierte zunächst selten, was überhaupt das Thema ist. Sie sind oft mangels Erfahrung wenig sensibilisiert für Vorurteile. Die Wahrnehmung für Themen wie Rassismus und Sexismus muss erst entwickelt werden, vor allem wenn es um subtile Formen geht.
Ansätze, etwas gegen unbewusste Vorurteile zu sagen, gibt es von informalen Gesprächen über formale Möglichkeiten bis zur Klage. Manche Unternehmen haben etablierte Beschwerdewege, durch Firmengrundsätze oder Gesetze vorgegeben. Nutze diese, um einige Formen von Vorurteilen einzudämmen.
Es muss nicht direkt eine Klage erhoben werden, damit diese Grundsätze wirken; Teilnehmende unserer Gespräche erzählten, als sie die Grundsätze und die Klagemöglichkeit nur erwähnten, führte dies schon zu Veränderung.
Auch Macht spielt bei der Arbeit eine Rolle. Die Dynamik, wenn Angestellte etwas zu Vorgesetzen sagen, ist eben sehr anders, als anders herum. Einige berichten von negativen Konsequenzen in der Probezeit oder bei befristeten Verträgen, auch wenn die offizielle Kultur zum guten Miteinander auffordert. Die stille Akzeptanz von Vorurteilen, die einige Führungskräfte von sich geben, führt dazu, dass diese und andere Vorurteile die gesamte Arbeitsatmosphäre beherrschen.
Genau so kann allerdings auch ein einziger gut platzierter Kommentar einer Führungskraft gegen Vorurteile diese sehr wirksam stoppen. Wer beeinflusst den Ton an deinem Arbeitsplatz? Welchen Einfluss hast du auf diese Person? Wenn du keinen Einfluss hast, wer hat ihn? Und könntest du dich mit dieser Person verbünden?
Erlebnisse & Inspirationen
Wie reagiere ich auf herabwürdigende Bemerkungen?
Erlebnisse
- Eine bayerische Geschäftsfrau schreibt: „Ich sprach mit einer Kollegin, als sie mitten im Gespräch lächelte und sagte ‚Du hast so eine gute Aussprache. Hattest du Nachhilfe darin?‘ – so als ob ich als Deutsche aus Bayern Nachhilfe bräuchte um nicht Dialekt zu sprechen.“
- Ein Manager aus Vaduz schreibt: „Einer meiner Mitarbeiter macht konstant ‚Witze‘ über ‚bipolare‘ Menschen oder ‚Verrückte‘. Ich weiß zufällig, dass ein anderer Mitarbeiter, der diese Kommentare hören kann, wegen Depression in medizinischer Behandlung ist. Wie kann ich das schlechte Verhalten stoppen, ohne zu viel Privates preis zu geben?“
- Ein Teamkollege bei einem Startup fragt einen anderen, ob er beim Mittag mitmacht. „Wir bestellen Ching-Chang-Chung Hühnchen.“ sagt er, und imitiert einen asiatischen Akzent.
Sag was!
Eine Firmenkultur wird nicht dadurch geschaffen, dass Werte und schöne Sätze auf Postern an der Wand hängen. Die Firmenkultur wird durch ungezwungene Beziehungen und den zwanglosen Austausch untereinander bestimmt. Egal ob du angestellt bist oder als Führungskraft arbeitest, du leistet einen Beitrag zum respektvollen und vorurteilsfreien Ton im Büro.
Inspirationen
Stopp-Frage. Probiere aus, welche Frage dir leicht über die Lippen geht, die der anderen Person signalisiert, dass du die Aussage grenzwertig findest, und zeitgleich ihr ermöglicht, ihr Gesicht zu wahren. Passt ein leicht scherzhafter Ton? „Uiuiui, den Witz haben Sie nicht aus einem Training für politisch korrekten Umgang, hm?“ Fallen dir mehrere freundliche Fragen ein, die du bei Bedarf parat hast?
Unterbrich frühzeitig. Die Kultur am Arbeitsplatz wird davon bestimmt, was erlaubt ist und was nicht. Lösen Vorurteile bei der Arbeit keine Reaktionen aus, dann überschatten sie die Atmosphäre. Sag früh etwas, und sag oft etwas, um eine Umgebung zu schaffen, die für alle angenehm ist. Dies trifft gerade auch dann zu, wenn du nicht selbst betroffen bist.
Setz dich für andere ein. Du bemerkst wiederholte Vorurteile, die sich auf eine andere Person beziehen? Auch in der Arbeitswelt ist es wichtig, sich für andere einzusetzen. Weise die Person unter vier Augen auf ihre unbewussten Vorurteile hin.
Nutze Regeln– sonst stelle sie auf. Verweise auf existierende Grundsätze, um verurteilende Sprache oder herabwürdigendes Verhalten einzugrenzen. Oft gibt es sie schon, sie sind nur in Vergessenheit geraten. Arbeite mit der Personalabteilung, um neue, für diese Firma passende Grundsätze zu schaffen. Frage die zuständige Person, ob alle ein Anti-Vorurteile Training bekommen können.
Geh die Leiter hoch. Wenn das Verhalten fortbesteht, wende dich mit deinen Beschwerden an höhere Vorgesetzte. Suche Verbündete im oberen Management, und bitte sie, eine Arbeitsumgebung zu schaffen oder zu erhalten, die frei von Vorurteilen und Verunglimpfungen ist. Wenn die Unternehmensführung keine Unterstützung bietet, weise darauf hin, dass die stillschweigende Akzeptanz von Vorurteilen zu einer belasteten Atmosphäre führt, und dies wiederum eine kleinere Produktivität auslösen kann. Diejenigen, die am meisten darunter leiden, werden dann die ersten sein, die sich nach einem angenehmeren Arbeitsplatz umsehen werden. Vielleicht werden so die besten Mitarbeitenden vertrieben?
Haltet zusammen. Hatten andere im Meeting nicht gelacht? Schmiede Allianzen, gemeinsam seid ihr stärker. Kolleg*innen können sich zusammenschließen und sich absprechen, um dann mit dem Kollegen oder der Vorgesetzen zu sprechen, damit diese ihren Ton oder Verhalten ändern.
Wenn du eine Führungsfunktion innehast, setze dich für ein vorurteilsfreies Arbeitsklima ein. Denn wenn Angestellte diskriminierende Aussagen tätigen, verliert das Team möglicherweise sehr gute Teammitglieder.
Was sage ich bei unerwünschten „Witzen“ bei der Arbeit?
Erlebnisse
- „Mein Kollege macht immer wieder seltsame ‚Witze‘. Ich will ihm ja nicht auf die Füße treten, dann wäre er direkt beleidigt. Da muss ich irgendwie das Eis brechen. Ich habe mal scherzhaft versucht ‚Da müssen wir über politische Korrektheit sprechen, Herr …, ob das jetzt da schon so richtig formuliert ist?‘ – Da kam dann ein Griemeln, ich bin ertappt! Also mein Signal war ein leichtes Stopp-Signal, als Frage formuliert.“ Berater aus Gütersloh
- Einem herzensguten Kollegen von mir half ein Werkstudent seinen Zahlenwust in Tabellen zu bearbeiten. Scherzhaft sagte er: „Er ist mein Daten-N~.“ Verwirrt, dass heutzutage jemand noch so ein Wort benutzt, fiel mir in dem Moment nichts Besseres ein: „So etwas sagt man nicht.“, doch er redete weiter. Thematisiere ich das später noch oder setze ich damit unsere gute Arbeits-Beziehung aufs Spiel?
- Eine Wissenschaftliche Mitarbeiterin in einem Wiener Labor berichtet „Vor vielen Jahren, ist bestimmt 20 Jahre her, da hat sich eine Kollegin von mir bei einem anderen Kollegen mit einem Obstkorb bedankt. Da waren lauter Mini-Früchte drin, also statt Banane zum Beispiel Baby-Banane. Eine weitere Kollegin kommentierte: ‚Da haben die Schwarzen wohl auf den Bananenbaum draufgepinkelt.‘ Mein Deutsch war schlecht, ich hätte trotzdem fragen sollen, wie sie das meint. Ich habe mir vorgenommen, dass egal wie schlecht mein Deutsch bleibt, ich werde künftig immer was sagen, nein, ich werde fragen, einfach sofort fragen, ob sie das wiederholen kann, ich hätte das nicht verstanden. Ich war in dem Moment so verblüfft, dass wirklich jemand so etwas sagt! Hat die das wirklich gesagt? Künftig bin ich vorbereitet, ich werde fragen!“
Sag was!
Humor kann unsere Arbeitswelt bereichern, uns Routinearbeiten erleichtern und den Teamgeist stärken. Wenn Humor umschlägt, leidet die Atmosphäre, das Miteinander kann Schaden nehmen oder zerstört werden. Wenn du mit „Witzen“ bei der Arbeit konfrontiert wirst, die Vorurteile verfestigen, kannst du versuchen:
Inspirationen
Lache nicht. Reagiere auf bösartige „Witze“ mit Stille, und vielleicht einer hochgezogenen Augenbraue. Nutze Körpersprache, um deine Abscheu für herabwürdigende „Witze“ zum Ausdruck zu bringen.
Unterbrich das Gelächter. „Warum findet ihr das witzig?“ Erkläre dem Team, warum der „Witz“ dich kränkt, dass es sich erniedrigend und abfällig anfühlt. Und unterbrich diese „Witze“ so lange mit Nein- und Stopp-Aussagen, wie nötig.
Setze Grenzen. Etabliere eine „Nicht an meinem Arbeitsplatz“-Regel. Verbiete herabwürdigende „Witze“ an deinem Arbeitsplatz (je nach Grenzen, die sich definieren lassen). Bleibe standhaft, und finde andere, die mitmachen.
Finde Verbündete. Verbündete sind sehr hilfreich dabei, störende Bemerkungen zu hemmen.
Biete alternativen Humor an. Lerne und erzähle Witze, die nicht auf Vorurteilen, Stereotypen und Herabsetzungen basieren.
Erweitere den Kreis. Gerade wenn du ein gutes Verhältnis zu Menschen im Arbeitskreis hast, nutze es als Basis um mehr Menschen zu überzeugen, dass vorurteilsfreie Sprache wichtig ist. Du könntest den Kollegen auch viel später noch ansprechen „Thomas, wir verstehen uns so gut, dein Humor lockert meinen Arbeitsalltag auf. Mir ist wichtig, dass wir auch weiterhin angenehm zusammen arbeiten können. Vor einer Weile hast du etwas gesagt, das hat mich gestört. Als du gesagt hast „Daten-N~“, ging es dir vielleicht scherzhaft darum, dass jemand dir unliebsame Arbeit abnimmt. Das Wort wird heutzutage nicht mehr gebraucht, es steht in der Menschheitsgeschichte für sehr viel Leid. Du bist kein Rassist und vorurteilsfreie Sprache ist wichtig, denn sie beeinflusst das Denken. Lass uns lieber nach neuen Worten suchen, die witzig die Datenverarbeitung verhonepiepeln.“
Wie gehe ich mit sexistischen Bemerkungen um?
Erlebnisse
- Eine Managerin wird immer als „Büro-Mami“ oder „Gute Seele des Büros“ bezeichnet. Kein männlicher Manager wird jemals „Büro-Papi“ genannt. Männliche Manager erwarten, dass die weiblichen Managerinnen sich um Geburtstage im Büro kümmern und weitere Aufgaben übernehmen, die nichts mit deren Job zu tun haben. „Diese Art von Sexismus ist allgegenwärtig.“
- Eine Mitarbeiterin berichtet: „Einer meiner männlichen Kollegen macht permanent Kommentare zum Erscheinungsbild unserer weiblichen Kolleginnen: ‚Sie ist so ein hübsches Mädel.‘ oder „Was für eine bezaubernde Frau.“ Ich finde diese Kommentare total unpassend und habe ihm dies auch gesagt, aber er ändert sein Verhalten nicht.“
- Eine Kommilitonin wurde von einem Dozenten aufgrund ihres Aussehens als „ungeeignet für eine Karriere“ bezeichnet.
Sag was!
In unserer Arbeitswelt möchten wir nach der Qualität unserer Beiträge wahrgenommen und beurteilt werden. Manchmal aber verzerren konventionelle Vorstellungen über Geschlechter, bzw. Gender Rollen, die Art, wie wir uns selbst und wie andere uns wahrnehmen. Beispielsweise sind auf das Äußere reduzierende Bemerkungen ent-personalisierende Allgemeinaussagen und verdinglichende Sprüche sexistische Belästigungen. Wenn du sexistischen Annahmen und Bemerkungen ausgesetzt bist, überlege, ob folgende Vorschläge für deine Situation passen.
Inspirationen
Sei direkt. Antworte der sprechenden Person auf eine Art, die die sexistischen Annahmen beleuchtet. „Ich bin nicht die gute Seele des Büros, ich bin die Managerin des Kundenservice.“ oder „Nein, ich bin das Back-Genie bei uns, nicht meine Frau.“
Gewinne die Netten. Frage den netten Menschen, welche Situationen er selber erlebt hat, wo er sprachlich abgewertet wurde. Dann erkläre, dass dies einmalig war. Frauen werden sprachlich sehr stark und sehr oft abgewertet und unsichtbar gemacht. Frage, ob er sich vorstellen kann, was ein gut gemeinter Satz auslösen kann bei einer Person, die von klein auf ständig im Alltag sprachlichen Abwertungen ausgesetzt ist, die zu echten Benachteiligungen führen?
Suche eine Parallele. Fällt dir ein Beispiel ein – Hat die Person in einem ganz anderen Kontext erlebt, dass ihre Einstellung sich im Laufe der Zeit verändert hat? Leite dann über auf das Erlebte und beleuchte es vor dem Machtgefälle. Die Bemerkung war sicher nicht sexistisch gemeint. Es geht um ein Machtgefälle. Kann die Person sich vorstellen, dass die Rollen vertauscht würden? Komplimente sind Be-Urteil-ungen – wer setzt sich in die höhere urteilende Position? Komplimente bei der Arbeit sind immer unangemessen.Weise auf die zugrundeliegende Machtphantasie hin. „Wenn du Kommentare über das Aussehen von Frauen machst, degradierst du sie zu Sexobjekten. Dies entspricht einem verbalen sexualisierten Übergriff. Das ist kein Spaß, sondern es gibt Gesetze dagegen.“
Identifiziere das Muster. Sage deinen Vorgesetzten „In unseren wöchentlichen Manager-Meetings habe ich bemerkt, dass alle erwarten, dass ich das Protokoll schreibe. Ich würde gerne sehen, dass wir diese Verantwortung rotieren, damit sie von allen Teilnehmenden erfüllt wird.“
Starte einen informellen Austausch. Wenn Sexismus ein langanhaltendes systemisches Problem ist, gründe eine informelle Gruppe um diese Vorkommnisse z.B. während der Mittagspause zu erörtern. Unterstützt euch gegenseitig und erstellt einen Aktionsplan. Nutzt Vorkommnisse um gegenseitige Toleranz zu lehren.
Mache aufmerksam. Mach dich dafür stark, dass das gesamte Team ein Training gegen Sexismus im Büro bekommt. Macht vorher eine Liste für den Trainer mit Beispielen, was ihr schon erlebt habt.
Wie verhalte ich mich bei Fehltritten in Arbeitstreffen?
Erlebnisse
- Ein 45-Jähriger einer internationalen Firma erzählt: „Bei uns werden monatliche Treffen per Video abgehalten. Zur Abteilung gehören Mitarbeitende aus vielen verschiedenen Ländern, darunter auch Chinesisch-Stämmige in den USA. Ein in Deutschland arbeitender höherrangiger Experte war beruflich in China und berichtet „Gut war‘s – nur voll von Chinesen.“ Fast Alle haben gelacht. Wenn ich da was sage ist das nur Zeitverschwendung, andere, oder die Geschäftsführung, würden mich nie unterstützen.“
- Eine Österreicherin hört in einem Budget-Meeting, dass ihr Kollege kostensparende Maßnahmen für Landschaftsgestaltung so formuliert „Warum setzen wir nicht einfach ein paar Polen oder Slowaken ein?“
- Eine Frau schreibt „ein gutherziger Kollege, der in der SPD aktiv ist, macht Kommentare in Meetings wie ‚Alle Grünen sind dumm.‘ oder ‚Alle Grünen sind dies oder das…‘ Ich besitze selber das SPD-Parteibuch und stehe zu deren Politik, doch diese Kommentare finde ich so fehl am Platz wie Sprüche wie ‚Alle Immigranten sind faul.‘ oder ‚Alle Iren sind Trunkenbolde.‘ Stereotypen sind Klischees. Außer zu antworten ‚Alle meine besten Freunde sind Grüne.‘ – was kann ich tun?“
- „In einem Soziologie-Seminar hat der Dozent … zu mir schauend einen Spruch abgelassen und meinte ‚dich werden wir auch noch integrieren‘. Ich habe mich dazu in der Sitzung nicht geäußert, jedoch empfand ich diese Situation komisch und wusste persönlich nicht, wie ich so einen Kommentar einordnen sollte.„ Studentin aus Dortmund
Sag was!
Bei Arbeitstreffen und Konferenzen sind meist Menschen verschiedener Abteilungen oder Rollen innerhalb der Firma anwesend. Wenn dies zu klischeebeladenen Sprüchen führt, leiden die Arbeit und die Beziehungen. Versuche folgendes:
Inspirationen
Suche direkten Kontakt. Sprich den Vorfall unter vier Augen an. Erkläre, was du herabwürdigend findest: „Weißt du, wenn wir so viele generalisierende Sprüche über Grüne klopfen, machen wir damit das Bild von uns SPD‘lern schlecht.“
Sprich den Moderator an oder die Person, die das Meeting einberufen hat. Formuliere deine Erwartungen oder Grundregeln klar, damit sie im nächsten Meeting befolgt werden können.
Nutze den Moment. Im Meeting hätte eine Beteiligte sagen können „Was meinen Sie denn damit? Was sagen Sie gerade über Polen und Slowaken?“
Was mache ich, wenn Vorgesetzte Vorurteile haben?
Erlebnisse
- Ein Mann aus Berlin schreibt „Ich bin Rumäne und arbeite seit langer, langer Zeit auf deutschen Baustellen. Eines Tages nahm mich der Vorarbeiter auf Seite und sagte, was er wohl für ein Kompliment hielt. Er sagte ‚Du bist ein guter Arbeiter. Du bist nicht wie die anderen Rumänen.‘ Ich nickte nur und ging zurück an die Arbeit, weil ich meinen Job behalten wollte. Aber ich wünschte, ich hätte was gesagt, etwas, damit er merkt, dass das kein Kompliment war.“
- Eine Frau arbeitet in einer Firma, wo eines Tages ein Kollege mit neu gestochenem Ohrring erscheint. Ihr Manager sieht den Ohrring und lacht „Waha – du Schwuchtel!“
- Eine Praktikantin bekommt mit, dass der Personalverantwortliche einer Fachabteilung die Bewerbungen von Frauen mit Kindern aussortiert.
Sag Was!
Wenn Vorurteile von Vorgesetzten kommen, ist es einfach anzunehmen, dass man nichts tun kann. Der Boss hat alle Macht, richtig? Nun, unabhängig von der Unternehmensgröße, wird nichts ohne Mitarbeitende geschaffen; deine Macht liegt in dieser einfachen Tatsache.
Inspirationen
Verschiebe den Fokus auf alle Menschen in der Firma. „Hier arbeiten viele unterschiedliche Menschen für Sie und Ihre Firma. Wir kommen jeden Tag zur Arbeit und geben unser Bestes. Was Sie gerade gesagt haben, drückt das Wertschätzung für mich und andere Mitarbeitende hier aus?“
Verbinde Toleranz mit dem Gewinn. Erinnere deine Vorgesetzten im Einzelgespräch daran, dass wenn Angestellte sich wertgeschätzt und respektiert fühlen, eine gesunde und produktive Arbeitsatmosphäre geschaffen wird. „Ist ‚Schwuchtel‘ wirklich ein Wort, das Sie so in die Runde werfen möchten? Wir wissen doch gar nicht, wer schwul oder lesbisch ist, wer heterosexuelle Verwandte hat und wer nicht. Ich habe den Eindruck, dieser Kommentar hat einige unserer Mitarbeitenden gekränkt – und lenkt sie damit von ihrer Arbeit ab.“ Weise auf die vielfältige Literatur zu diesem Thema hin, z.B. „Chefsache“ und „Charta der Vielfalt“.
Geh die Leiter hoch. Denk über deine Optionen nach, über das Temperament deiner Führungskraft und die Büro-Umgebung. Wenn du dich unwohl dabei fühlst, direkt mit Vorgesetzten zu sprechen, sprich mit einer Person aus der Personalabteilung oder dem Betriebsrat, um heraus zu finden, was die Vorschriften bezüglich Schikanen sind und ob sie anwendbar sind.
Was mache ich bei Altersdiskriminierung bei der Arbeit?
Erlebnisse
- Eine zweiundvierzigjährige Frau erzählte uns: „Bei einem Vorstellungsgespräch bei einem Startup fragte mich der Geschäftsführer, ob ich mich nicht zu alt finde, um mich als Buchhalterin bei Ihnen zu bewerben. Ich habe gelacht, weil ich die Frage so absurd fand. Erst als mir die Frage bei einem weiteren Bewerbungsgespräch gestellt wurde, verstand ich den Ernst der Situation.“
- „Vergleichsweise häufig wird Benachteiligung aufgrund des Alters erlebt: 14,8 Prozent der Menschen in Deutschland sahen sich davon in den letzten beiden Jahren betroffen, und zwar sowohl junge als auch ältere Menschen.“ (Umfrage „Diskriminierungserfahrungen in Deutschland 2015“, S. 3)
Sag was!
In der Arbeitswelt treffen Personen mit unterschiedlichsten Einstellungen und Erfahrungen aufeinander. Vielen hat sich die Chance nicht geboten, ihre eigene Welt durch neue, andere Erfahrungen zu bereichern. Sie sind es nicht gewohnt, dass sie die Perspektive wechseln könnten.
Kommt die Diskriminierung von einer in der Hierarchie höher gestellten Position? Befindest du dich in einer unsicheren Situation, wie einem Vorstellungsgespräch oder in der Probezeit? Kannst du die Situation später ansprechen?
Inspirationen
Bereite dich vor. Überlege dir für deine Person und deinen Beruf passende freundliche Antworten, die die Stärke der vermeintlichen Schwäche betonen. „Ja, da haben Sie Recht. Ich bringe sehr viel Erfahrung mit, von der Ihr Firma in vielen Bereichen zusätzlich profitieren kann.“ „Möglicherweise fehlt mir Erfahrung, dafür bringe ich aus meiner Ausbildung neueste Methoden mit.“
Frage nach dem Kern der Aussage. Vielleicht ist die von dir gehörte Frage aus einem ganz anderen Grund gestellt worden? Frage zurück: „Was genau beunruhigt Sie an meinem Alter?“ Hatte der junge Geschäftsführer des Startup Angst, dass die ältere Buchhalterin nicht ins Team integriert wird, weil sie die Pausen nicht mit am Flipper verbringen möchte?
Erweitere den Horizont der anderen Person. Statt einer Antwort, erzähle ein Beispiel, als dein Alter gerade eine Bereicherung für die Firma war.
Weise auf das Vorurteil hin. Befindest du dich in einer sicheren Situation, die es dir erlaubt, dann zeige auf, dass die Bemerkung bei dir als möglicherweise unbewusstes Vorurteil ankommt.
Wie gehe ich meine eigenen Vorurteile an?
Erlebnisse
- Eine Frau ist Event-Koordinatorin und arbeitet mit einem Schwarzen Künstler. Irgendwann sprechen sie privat über eine Bekannte, die für ihre Ausdauer und ihre Energie bekannt ist. „Ohne Nachzudenken sagte ich bewundernd einen Satz, den ich seit Kindesbeinen gehört hatte ‚Sie ist eine echte Sklaventreiberin!‘
In diesem Moment, als ich das diesmal sagte, merkte ich zum ersten Mal die wirkliche Bedeutung dieses Satzes. Ich habe mich so geschämt, wollte mich entschuldigen.
Aber bevor ich irgendetwas sagen konnte, schaute mir der Künstler in die Augen und antwortete: ‚Ja, sie ist eine wirkliche Lehrmeisterin.‘ Da stimmte ich zu und dankte ihm später für seine Freundlichkeit und feinsinnige wie wichtige Erziehung. Das Ergebnis: Ich habe seither nie wieder den Begriff ‚Sklaventreiber‘ verwendet.“
- Als Teenager war ich nach der Schule meine Mutter abholen, die an der Universität lehrt. Ich war etwas zu früh und wartete auf der Treppe des Gebäudes. Ein Mann kam und fragte, ob ich Hilfe brauche. Ich erklärte „Nein, ich warte auf meine Mutter.“ „Ist die hier Putzfrau?“ „Nee, die unterrichtet.“ Er ist ohne ein weiteres Wort weg gegangen. Ganz klare Botschaft war, Frauen sind Putzfrauen, keine Uni-Dozentinnen. Manchmal frage ich mich, ob er über seine Vorurteile nachgedacht hat.
- „Ich werde trotz meines Arztkittels immer wieder als ‚Schwester‘ angesprochen, … Aktuell macht mir die Verwechslung nichts aus, … Meine Bedenken drehen sich aber um die nahe Zukunft: In zwei Jahren bin ich fertig, mit 25 werde ich Ärztin sein. Aber ich werde in zwei Jahren nicht anders aussehen als jetzt.“ sagt eine Medizinstudentin
Sag was!
Wenn eine Kollegin oder ein Kollege dir mitteilt, dass du etwas gesagt oder getan hast, das sie oder ihn verletzt hat, dann weise das nicht sofort als unwahr zurück. Auch wenn du es nicht beabsichtigt hattest, verteidige dich nicht sofort, sondern denke nach.
Oft kostet es die andere Person sehr viel Mut und Kraft, das Thema überhaupt anzusprechen. Anscheinend ist es ihr so wichtig, dass sie diesen Schritt geht. Vielleicht kann dir einer der folgenden Ansätze weiterhelfen?
Inspirationen
Öffne dich für Rückmeldungen. Stelle, wenn nötig, klärende Fragen: „Bitte hilf mir, das besser zu verstehen. Wie genau habe ich dich verletzt?“ „Welche Art Formulierung wäre vorurteilsfrei?“ Sei freundlich, und betrachte diesen Moment als Möglichkeit, um etwas für dein Leben Wichtiges zu lernen. Danke der Person, die dich darauf hingewiesen hat, und fordere sie zu weiteren Rückmeldungen auf.
Gib auf die Beziehung Acht. Versuche, eure Beziehung zu kitten, damit dieser Moment eure Zusammenarbeit nicht stört. „Dieser Moment ist für uns beide ziemlich unangenehm. Gibt es irgendetwas, das ich oder wir als nächstes tun sollten? Ich möchte wirklich, dass wir auch weiterhin gut zusammen arbeiten können.“
Ändere dein Verhalten. Warte nicht ab, bis ein Mensch so verletzt ist und sich gezwungen sieht, dir etwas zu sagen. Höre dir selber genau zu, was für Begriffe verwendest du? Sind einige davon nur verwendbar, weil eine bestimmte Gruppe Menschen nicht anwesend ist? Hat sich der gesellschaftliche Kontext geändert? Vielleicht meinst du es gut, hast aber bisher deinen privilegierten Status noch nicht bedacht. Vielleicht fühlt sich die Person bedrängt, würde das aber nie sagen? Versuche Vorbild für Respekt zu werden.
Überprüfe deine Irritation. Wenn du eine Antwort bekommst, die völlig anders ist als erwartet, und die dich irritiert, überprüfe, ob es an eigenen Vorurteilen liegt. Hast du den Mut, zu wachsen? Teste dich selber (Siehe weiterführende Informationen).
Erweitern statt Urteilen. Wir alle neigen dazu, Gehörtes in Schubladen zu stecken. Folgt eine starke Gefühlsregung, verhindert sie eine objektivere Einschätzung der Situation. Ist die Situation vielleicht völlig anders, als ich sie gerade wahrnehme? Was meint die andere Person wirklich? Ich frage möglichst neutral nach um zu verstehen, worum es der anderen Person geht.
Arbeite ethisch. Du programmierst oder entwickelst Produkte? Inzwischen ist bekannt, dass viele Menschengruppen durch unbewusste Standards diskriminiert und ausgeschlossen werden aufgrund von Algorithmen, KI (bspw. Gesichtserkennung nur von Hellhäutigen; autonome Bremsen, die Dunkelhäutige nicht erkennen) oder Produktdesigns (bspw. Anschnallgurte für Männer; Seifenspender, die nicht auf dunkle Haut reagieren). Technologie lebt im sozialen Kontext. Unsere Umwelt ist vielschichtig, bringe dies bewusst in deine Arbeit ein.
Zeige die Vielfalt! Wir wollen andere Schönheiten in Werbung und Filmindustrie sehen: nicht-weiße, queere, dicke, behinderte, alte Menschen. Vielfalt wäre wahrhaftig schön!
Vielleicht magst du in anderen Themen stöbern, ob du dort Inspirationen findest, die gut auf deine Situation passen?
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